Nachhaltigkeit gegen weltweite Entwaldung?

Um die Zerstörung des Waldes aufzuhalten, können Maßnahmen zum einen auf der Angebotsseite und auf der Nachfrageseite Anwendung finden. Die wahrscheinlich bekannteste ist die Zertifizierung. Wenngleich es hier noch Verbesserungspotential gibt, so sollte ihr bisheriger Beitrag dennoch nicht unterschätzt werden. Schließlich spielte die Zertifizierung eine Schlüsselrolle beim Definieren der Standards zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung sowie der Entwicklung davon Verfahren zur Rückverfolgbarkeit von Holz entlang der Lieferketten.

Anders als die Zertifizierung ist das FLEGT-Genehmigungssystem keine private Initiative, sondern ein staatlicher Ansatz, der darauf abzielt, das Ausmaß des illegalen Einschlags zu verringern und die forstpolitischen Strukturen zu verbessern. Bislang konnte nur Indonesien Genehmigungen erteilen, und nur ein weitere Land, Ghana, steht kurz davor. Im Mittelpunkt des FELGT-Systems stehen die rechtsverbindlichen Handelsabkommen zwischen Erzeugerländern und der EU, die sogenannten Voluntary Partnership Agreements (VPA). Sieben dieser VPSs werden derzeit ausgehandelt. In den meisten Fällen hat die Aushandlung eines VPA zu einer Klärung und Reform des Rechtsrahmens geführt, und in allen Fällen führte sie zu mehr Transparenz, offeneren Entscheidungsprozessen und einem besseren Zugang zu Informationen sowie zu stärkeren zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auch Einnahmen aus der Waldbewirtschaftung wurden besser an die Gemeinde verteilt. FLEGT und VPA gehen mit ihrer Flächenwirksamkeit somit über die freiwillige Zertifizierung hinaus. Sie gehen ebenso das Problem der Dauerhaftigkeit an, indem sie Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsstandards in der Gesetzgebung verankern und ein System einführen, das eine langfristige Perspektive garantiert. Während also die die freiwillige Zertifizierung durch Systeme wie FSC oder PEFC einen Standard für nachhaltige Waldbewirtschaftung in einzelnen Konzessionen setzen kann, erhöhen staatlich geführte Reformen und Gesetze die Standards auf dem Waldbesitz.  Zusammengenommen haben sie daher viel eher einen signifikanten Einfluss auf die Nachhaltigkeit.

Nachfrageseitig reguliert die EU-Holzhandlesversordnung (EUTR) den Handel mit Holz in der EU. Die EUTR verpflichtet alle Unternehmen, die Holz und Holzprodukte aus Drittländern beziehen, den Import illegal geschlagenen Holzes auszuschließen. Zu diesem Zweck muss vor dem Import (Inverkehrbringen auf dem EU-Binnenmarkt) eine Sorgfaltspflichtregelung angewendet werden. Diese muss aus den drei folgenden Schritten bestehen: Informationsbeschaffung, Risikobewertung und Risikominderung. Wenngleich es auch bei der EUTR-Umsetzung noch ein hohes Verbesserungspotential gibt, so konnte dennoch durch das Inkrafttreten der Verordnung ein verstärktes Bewusstsein für das Problem des illegalen Holzeinschlag geschaffen, Lieferketten transparenter gestaltet und illegaler Holzeinschlag innerhalb der EU verstärkt bekämpft werden. Die ungleiche Umsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten und das bei einigen Importeuren immer noch fehlende Bewusstsein sowie mangelnde Kenntnisse über die EUTR erschweren jedoch die erfolgreiche Umsetzung dieser und den Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag.

Ein weiterer Missstand in der EUTR ist die fehlende Berücksichtigung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Laut EUTR darf auf den europäischen Markt nur Holz gelangen, dessen Einschlag konform mit den Gesetzen des Ursprunglandes durchgeführt wurde. Doch leider ist die nachhaltige Waldbewirtschaftung selten per Gesetz vorgeschrieben. So kommt es vor, dass trotz sorgfältiger EUTR-gemäßer Überprüfung einer Lieferkette Holz importiert wird, das aus einer von der im Einschlagsland ansässigen Behörde genehmigten Rodung stammt - und Waldflächen legal verlogen gehen.

Einen wertvollen Beitrag zum Walderhalt könnte folglich eine verstärkte Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte in der EUTR leisten. Allerdings gestaltet sich das Prüfen und Einhalten von Nachhaltigkeitskriterien wiederum schwieriger als der der Legalität. Um Legalität einzuhalten, bedarf es der Einhaltung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften des Landes. Für Nachhaltigkeit gibt es jedoch bisher keine allgemeingültige oder im Einschlagsland einheitliche Definition, an die sich Waldbewirtschafter halten und deren Einhaltung Behörden überprüfen könnten.

Erschwerend kommt hinzu, dass Holzproduktion nicht der einzige Grund für die voranschreitende Entwaldung ist, und zudem eine immer kleiner werdende Ursache. Der weltweite Konsum von Produkten, die Bestandteile aus tropischen Regionen aufweisen oder für die Herstellung benötigen, ermöglicht der dortigen Landwirtschaft die Expansion - zu Lasten der Waldfläche. So ist zu erklären, dass rund 80% der verlorenen Waldfläche auf die Umwandlung in Agrarfläche zurückzuführen sind. Die EU ist einer der größten Importeure der entwaldungsverursachenden Produkte. Die Diskrepanz zwischen der Verpflichtung zur Bekämpfung der Entwaldung und der Realität vor Ort, wo die Entwaldung zunimmt, ist groß. Maßnahmen und Instrumente entlang der Holzlieferkette (FLEGT, Zertifizierung, EUTR) können selbst bei unwirksamer Zusammenarbeit, dies nicht allein bewältigen.

Aus diesem Grund diskutiert das EUR-Parlament aktuell einen Berichtsentwurf für eine Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. Danach soll - ähnlich der EUTR, auch für eine Vielzahl anderer Konsumgüter vom Importeur ein Sorgfaltspflichtsystem angewendet werden, um zu gewährleisten, dass nur Produkte importiert werden, die nicht direkt oder indirekt die Entwaldung im Produktionsland begünstigt haben. Damit soll langfristig der Umwandlungsdruck auf die globalen Waldflächen reduziert werden. Gleichzeitig muss aber auch die Nachfrage nach Produkten mit entwaldungsverursachenden Bestandteilen sinken - sich das Konsumverhalten ändern - so dass auch der Flächenbedarf für diese landwirtschaftlichen Produkte sinken kann. Genauso kann die verstärkte Substitution solcher "entwaldungskritischen" Inhaltsstoffe durch andere biobasierte Alternativen den landwirtschaftlichen Flächenbedarf in den Tropen verringern. Ein im vergangenen Jahr von der Europäischen Kommission vorgelegter Aktionsplan zur Bioökonomie sieht auch die Ausarbeitung einer Strategie für nachhaltige Ernährungs- und Bewirtschaftungssysteme sowie für fortwirtschaftliche und biobasierte Produkte vor.

Fazit: Die Forst- und Holzbranche ist sich dem Wert und der Bedeutung der Nachhaltigkeit bewusst wie kaum eine andere rohstofferzeugende Branche. Um die Entwaldung nachhaltig zu bekämpfen, bedarf es zwar auch einer Verbesserung der Politikgestaltung und Umsetzung im Fortsektor, aber vielmehr ist eine grundsätzliche Veränderung im gesamten Landnutzungssektor dringend notwendig. Hierbei kann und sollte die nachhaltige Waldbewirtschaftung eine integrale Rolle spielen. Durch den Kauf von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern kann die lokale Bevölkerung außerdem genügend Erträge generieren, sodass sie gar nicht in Erwägung ziehen muss, ihre Flächen an Agrarkonzerne zu verkaufen. Auf diese Weise kann der Wald und das, was er bietet - Lebensraum, Einkommensquelle, Klimaschutz und Rohstoffproduktion - langfristig erhalten werden.

Quelle: GDHolz 11/2020